Die Zusammenarbeit zwischen dem VfL Bochum und Thomas Reis ist seit Montag, 12. September 2022, Geschichte. Nach drei Jahren wurde der 48-jährige Aufstiegstrainer der Bochumer entlassen.
Einer, der diese Entscheidung überhaupt nicht nachvollziehen kann und nahezu völlig bedient ist, ist Achim Weber. Einst - zwischen 1999 und 2001 - spielte der ehemalige Stürmer mit Reis beim VfL Bochum zusammen.
Achim Weber, was ging in Ihnen vor, als Sie von der Reis-Entlassung hörten?
Ich kann das nullkommanull nachvollziehen. Warum? Ganz einfach: Wir haben gerade den Beginn der Saison, der VfL ist bis auf vier Punkte in Schlagdistanz auf die Nicht-Abstiegsplätze. Bis auf das Bayern-Spiel waren die Leistungen ordentlich. Sie haben vor der Saison alle Leistungsträger verkauft und keinen adäquaten Ersatz geholt. Was erwartet man da als VfL Bochum? Ich finde auch die Vorgehensweise bei der Entlassung beschämend.
Was meinen Sie damit genau?
Es ist einfach nur schlimm, dass die drei Verantwortlichen um den Aufsichtsrat, den Geschäftsführer und den Sportdirektor 48 Stunden brauchen, um über den Trainer zu beraten, der diese Leute dorthin gebracht hat, wo sie jetzt sind: in der Bundesliga! Und dann kommt noch die Pressekonferenz von Patrick Fabian. Das sah alles andere als gut aus. Da hat er unglückliche, nicht überzeugende Aussagen getätigt. Das geht so nicht.
Was hätten Sie denn für eine Erklärung erwartet?
Ich hätte erwartet, dass sich dort auch Hans-Peter Villis und Ilja Kaenzig hinsetzen und die ganzen Fragen beantworten. So wurde da Fabian hingesetzt, ohne jegliche Erfahrung und hat dann eben die Figur abgegeben, die man gesehen und gehört hat. Meiner Meinung nach haben sich die Bosse weggeduckt. Ich bin mir sicher, dass das unter Sebastian Schindzielorz als Sportchef nie möglich gewesen wäre. Entweder hätte er Reis als Trainer bei den Bossen da oben durchgeboxt oder wäre mit Reis gegangen.
Und ich kann den Herren schon einmal sagen: Es wird nicht einfach, einen neuen Trainer zu finden. Denn die guten Trainer, die auf dem Markt sind, wollen sich auch nicht verbrennen. Sie sehen auch, dass in Bochum kadertechnisch wenig geht. Für mich wäre Thomas Reis in dieser Situation der ideale Mann.
Achim Weber
Was bedeutet diese Entlassung eigentlich für die genannten "Bosse"?
Ganz einfach: Die VfL-Verantwortlichen haben sich damit zum Abschuss frei gegeben. Sie haben sich jetzt den Druck auferlegt, den Klassenerhalt schaffen zu müssen. Sie werden jetzt an den Ergebnissen und dem Ligaerhalt gemessen. Sie haben sich eine Baustelle aufgemacht, die unnötig ist. Denn es war alles ruhig. Im Umfeld genießt Thomas Reis doch eine große Wertschätzung. Warum kann man da nicht hingehen und sagen: 'Wir machen mit Reis weiter und zur Not gehen wir auch gemeinsam in die 2. Bundesliga, stellen eine schlagkräftige Truppe zusammen und kommen wieder'. Warum geht das nicht? Der VfL will doch immer ein anderer Klub als die anderen Bundesligisten sein. Doch jetzt ist der VfL einer von vielen.
Selbst der Busfahrer von Bochum hätte ja nach Schalke besser gepasst als der Trainer, der da jetzt ist. Das meine ich allen voran von der Mentalität, Emotionalität her. Thomas Reis weiß, wie das Ruhrgebiet funktioniert. Umso bitterer ist sein Abgang von der Castroper Straße.
Achim Weber
Wer kann denn den VfL jetzt sportlich retten, wie wird es weiter gehen?
Das ist natürlich die spannende Frage. Man ist da, wo man ist, hingekommen als Gemeinschaft. Schindzielorz und Reis waren ein kongeniales Duo, absolute Teamplayer. Ich habe mit beiden zusammengespielt, und beide sind menschlich unfassbar tolle Typen. Jetzt hat man diese Personen nicht mehr im Verein. Jetzt werden, wie schon gesagt, die drei da oben: Vorstand, Aufsichtsrat und Sportdirektor Fabian Woche für Woche an Ergebnissen gemessen. Und ich kann den Herren schon einmal sagen: Es wird nicht einfach, einen neuen Trainer zu finden. Denn die guten Trainer, die auf dem Markt sind, wollen sich auch nicht verbrennen. Sie sehen auch, dass in Bochum kadertechnisch wenig geht. Für mich wäre Thomas Reis in dieser Situation der ideale Mann. Er hat das Herz am rechten Fleck, liebt den Verein, liebt die Stadt, gibt alles für die Leute, die den VfL lieben. Doch jetzt ist es vorbei. Wenn man mit Reis gegen Köln ins Heimspiel gegangen wäre, ihm das Vertrauen ausgesprochen und ihm den Rücken gestärkt hätte, dann wären die VfL-Fans, im positiven Sinne, gegen Köln ausgeflippt. Sie hätten gefeiert, die Mannschaft, den Verein bedingungslos unterstützt. Nun werden auch viele im Umfeld mit der Entscheidung unzufrieden sein und beobachten, wie es weiter geht. Jetzt gilt erst erst einmal wieder das Wir-Gefühl herzustellen. Das wird schwer genug.
Letzte Frage, glauben Sie, dass der Schalke-Flirt die Reis-Entlassung beschleunigt hat oder sogar ein Grund dafür ist?
Nein, das glaube ich nicht. Das haben sicherlich auch die VfL-Bosse abgewogen. Thomas Reis hat einen tollen Job geleistet und es ist ja kein Verbrechen, wenn man mit einem größeren Klub spricht, flirtet, wie auch immer. Selbst der Busfahrer von Bochum hätte ja nach Schalke besser gepasst als der Trainer, der da jetzt ist. Das meine ich allen voran von der Mentalität, Emotionalität her. Thomas Reis weiß, wie das Ruhrgebiet funktioniert. Umso bitterer ist sein Abgang von der Castroper Straße.